PuR Fachtagung

26. Juni 2023

Workshop 5: Zero Waste gleich Zero Diversität? Ansprache unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Zero-Waste-Praktiken wie Einkaufen in Unverpackt-Läden oder das Trinken von Leitungswasser hauptsächlich von weißen, weiblichen und gebildeten Menschen umgesetzt werden. Dies hat zur Folge, dass die Bedürfnisse, Motivationen und Gewohnheiten anderer Bevölkerungsgruppen in Forschungsergebnissen kaum sichtbar werden und aus dem Blickfeld politischer Maßnahmen geraten. Workshop 5 befasste sich daher mit der Frage, wie Verpackungsabfallvermeidung gestaltet sein muss, damit alle Bevölkerungsgruppen inkludiert und adressiert werden.

Während des Workshops stellten sich drei Umweltvereine vor, die für ökologisches Handeln begeistern wollen, statt zu moralisieren. Gülcan Nitsch von Yeşil Çember (Türkisch für „Grüner Kreis“) betonte, wie wichtig eine feinfühlige Kommunikation ist, die den kulturellen Kontext der Menschen berücksichtigt. Wichtig ist auch, Abfallvermeidung und die Nutzung von Mehrweglösungen mit einem guten Gefühl zu verknüpfen (z.B. für Café-Betreibende). Julian Fischer vom atip:tap e.V. zeigte anhand von drei typischen Fällen wie wichtig zielgruppenspezifische Strategien sind. So nutzt der Verein beispielsweise ein Video mit einer Influencerin in den Sozialen Medien, um Jugendliche anzusprechen. Habib Weide von Nour Energy e.V. (Arabisch für „Licht“) berichtete von der Initiative GreenIftar zum verpackungsfreien Fastenbrechen. Die Initiative zeigt, dass Moscheen ein geeignetes Setting darstellen, um viele Menschen unterschiedlichen Alters zu erreichen und für Verpackungsabfallvermeidung und andere ökologische Themen zu sensibilisieren.

Im Anschluss an die drei Inputs diskutierten die Teilnehmenden, welche Erkenntnisse aus den drei Beispielen für inklusive Ansätze der Verpackungsabfall-vermeidung gezogen werden können. Wichtig ist, flexibel mit den Menschen vor Ort zu arbeiten – ohne Ideologie und Dogmatik. Es sollte Austausch und Dialog gesucht werden anstatt zu stark auf ein „Expert*innentum“ zu setzen. Eine zielgruppenspezifische Kommunikation kann auf bestehende Überzeugungen und Werte eingehen. Ein mehrdimensionales Vorgehen ist von zentraler Bedeutung: neben Wissensvermittlung und Aufklärung sollte es Vorbilder bzw. Fürsprecher*innen aus der Community geben, Emotionen sollten angesprochen werden und es sollte ein geeigneter Zugang gefunden werden, der auch finanzielle, gesundheitliche und lokale Aspekte einbezieht. Zudem sollten vorhandene Expertisen und bestehende Netzwerke genutzt werden. Möglichst viele heterogene Gruppen erreicht man an niedrigschwelligen Begegnungsorten wie Nachbarschaftshäusern, Kirchen, Moscheen, auf Festen, bei Fußballspielen und anderen lokalen Veranstaltungen.

Offen blieb die Frage, wie sich die Erfahrungen und Learnings zum Thema Leitungswasser auf andere Ansätze, wie z. B Unverpackt-Läden, übertragen lassen, da hier der finanzielle Aspekt insbesondere für einkommensschwache Haushalte eine größere Rolle spielt. Im Bereich Lebensmittelverschwendung gibt es bereits Erfolgsbeispiele wie die App Too Good to Go, bei der übriggebliebene Speisen von Hotels und Gastro-Betrieben über eine Plattform Endverbraucher*innen vergünstigt zum Kauf angeboten werden. Aus solchen Best Practice-Beispielen ergeben sich weitere Fragen für die Verbreitung von Precycling: Wie können solche sozialen Innovationen für die Vermeidung von Verpackungsabfall adaptiert werden? Inwiefern könnte der Bildungsansatz „Casual Learning“, also das spielerische Lernen in öffentlichen Kontexten, für die Entwicklung integrativer Ansätze für die Vermeidung von Verpackungsabfall genutzt werden? Der Workshop verdeutlichte die Bedeutung von Diversität bei der Entwicklung von Precycling-Konzepten und präsentierte erste erfolgreiche Praxisbeispiele, auf denen künftige Entwicklungen aufbauen können.

 

© Fotos: Jörg Farys